Die Abmahnung: Scharfes Schwert, stumpfe Waffe oder Mobbing-Ersatz?

Neben der Kündigung fürchten Arbeitnehmer die Abmahnung. Wer die erhält, weiß, dass „die Uhr tickt“, der nächste Schritt zur Kündigung nicht mehr weit ist. So zumindest die gängig vertretene Meinung. Doch stimmt das wirklich? Und steht das Abmahnen womöglich sogar stellvertretend für Mobbing?

Gehen wir diesen und weiteren Fragen einmal nach.

Inhalt:

Die Abmahnung: eine Definition

Kein Chef kann eine Abmahnung einfach aus einer Laune heraus schreiben. Vielmehr müssen auf der Seite des Arbeitnehmers Verstöße gegen seine Pflichten vorliegen. Die wiederum ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag.

Zunächst einmal erfüllt eine Abmahnung drei Zwecke:

  • Sie dient dem Arbeitnehmer als Hinweis
  • Sie dient dem Arbeitnehmer als Ermahnung
  • Sie dient dem Arbeitnehmer als Warnung

Hinweis, Ermahnung oder Warnung? Klingt doch sehr ähnlich. Aber es gibt feine Unterschiede, die wir uns einmal anschauen wollen:

HinweisWie es schon im Wort durchscheint, ist die Hinweisfunktion die schwächste Form der Abmahnung. Eine entsprechende Formulierung könnte so aussehen:
„Sie sind am 4.3.2019 um 8.30 Uhr und somit dreißig Minuten zu spät zum Dienst erschienen.“
ErmahnungDie Ermahnung geht gewissermaßen mit einer Forderung bzw. einer Anweisung einher. Das könnte dann so klingen:
„Wir erwarten, dass Sie künftig pünktlich um 8.00 Uhr zum Dienst erscheinen.“
WarnungHier wird‘s ernst. Der Warnhinweis macht deutlich, dass der Arbeitgeber ziemlich humorlos mit dem Fehlverhalten umgeht. Und das kann dann so formuliert sein:
„Wenn Sie Ihr Fehlverhalten nicht abstellen, behalten wir uns das Recht vor, Ihnen zu kündigen.“

Insbesondere die dritte Form, also die Warnung, kann zweierlei bedeuten:

  1. Der Arbeitgeber beschäftigt sich ernsthaft mit dem Gedanken, die Kündigung auszusprechen.
  2. Der Arbeitgeber droht lediglich massiv.

Arbeitgeber tun sich keinen Gefallen, wenn sie Konsequenzen androhen, ohne diese dann auch durchzuziehen. Arbeitnehmer sollten allerdings besser nicht der Verlockung erliegen, zu testen, ob Punkt 1 oder 2 greift. Mit anderen Worten: Eine wie oben formulierte Warnung zeigt, dass die Lage für den Arbeitnehmer ernst ist.

Zusammenfassung: Für eine Abmahnung muss eine Vertragsverletzung durch den Arbeitnehmer vorliegen. Ob darauf hingewiesen, ermahnt oder konkret gewarnt wird, ist dem Arbeitgeber überlassen.

Muss eine Abmahnung schriftlich erfolgen?

Nein, das muss sie nicht. Doch in den wenigsten Fällen kommt es zu einer mündlichen Abmahnung. Der Grund ist denkbar einfach: die Beweispflicht. Denn wenn der Arbeitgeber tatsächlich den nächsten Schritt geht und eine Kündigung ausspricht, muss er unter Umständen vor einem Arbeitsgericht beweisen, dass er zuvor Abmahnungen ausgesprochen hat.

Auch Fristen, an die sich der Arbeitgeber halten muss, gibt es nicht. Aus der Sicht des Arbeitgebers ist es aber nicht ratsam, zu lange mit der Abmahnung zu warten. Denn sonst besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer sich ermuntert fühlt, sein (unerwünschtes) Verhalten weiterhin an den Tag zu legen.

Können Abmahnungen auch Mobbing sein?

Eigentlich nicht. Denn schließlich muss der Arbeitgeber begründen, warum er abmahnt. Und selbst wenn ein Mitarbeiter mehrfach abgemahnt wird, muss das nicht zwingend Mobbing sein. Nicht einmal dann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass nicht jede Abmahnung berechtigt war.

Andererseits war ja bereits die Rede davon, dass sich Chefs unglaubwürdig machen, wenn sie mit dem Mittel der Abmahnung zu „sorglos“ umgehen. Wenngleich Angestellte keine kleinen Kinder sind, bietet sich doch der Vergleich aus der Erziehung an.

Bei einem kleinen Kind, dem im Falle eines Fehlverhaltens immer wieder angedroht wird, dass es abends etwa nicht mehr vor dem Fernseher sitzen darf, wird diese Drohgebärde irgendwann keine Wirkung mehr zeigen, solange es weiterhin jeden Abend seine Lieblingssendung sehen kann.

Davon abgesehen können die Grenzen zwischen einer berechtigten Abmahnung und einer Form vom Mobbing aber fließend sein. Erhält ein Mitarbeiter beispielsweise innerhalb von zwei Monaten sechs Abmahnungen, könnte das Inkonsequenz des Arbeitgebers sein. Es könnte aber auch einen Versuch darstellen, durch wiederholtes Einschüchtern eine Wirkung zu erzielen. Je nach Einzelfall kann man da schon von Mobbing sprechen.

Zusammenfassung: Mobbing und Abmahnungen sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Überschneidungen sind aber nie ganz ausgeschlossen.

Was können Arbeitnehmer gegen Abmahnungen unternehmen?

Wenngleich Abmahnungen nicht ohne weiteres mit Mobbing auf eine Stufe gestellt werden sollten, sind sie dennoch ein Druckmittel, das auf den Arbeitnehmer spürbare Auswirkungen haben kann. Sie beeinträchtigen ihn in seinem Persönlichkeitsrecht. Er kann folgendermaßen reagieren:

  • Er kann den Arbeitgeber auffordern, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.
  • Er kann seinerseits eine Gegendarstellung verfassen, die gemäß § 83, Abs. 1 BetrVG in die Personalakte aufgenommen werden muss.
  • Er kann eine Beschwerde beim Arbeitgeber oder beim Betriebsrat einreichen (sofern es einen gibt, was heute keine Selbstverständlichkeit mehr ist). In diesem Fall greifen die §§ 84 und 85 des BetrVG.
  • Er kann auch zunächst untätig bleiben, aber bei einem späteren Kündigungsschutzprozess vortragen, dass die seinerzeit erfolgte Abmahnung ungültig war.
  • Er kann Klage erheben, um die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu erzwingen.

Unter welchen Voraussetzungen kann eine Abmahnung entfernt werden?

Voraussetzung für eine Entfernung der Abmahnung ist, dass sie ungerechtfertigt ist. Dazu muss man allerdings nüchtern feststellen, dass Arbeitnehmer hier in einer schwierigen Situation sind. Um die Unwirksamkeit einer Abmahnung festzustellen, ist daher häufig die Hilfe eines Rechtsanwaltes nötig.

Neben der ungerechtfertigten Abmahnung kann auch der zeitliche Ablauf eine Rolle spielen. Wenn aufgrund dessen die Abmahnung ihre Wirkung verloren hat, ist sie ebenfalls unwirksam.

Ein Abmahnschreiben wird durch den Zeitablauf unwirksam, wenn der Arbeitnehmer sich über einen längeren Zeitraum korrekt verhalten hat. Unklar ist allerdings, wie lang dieser Zeitraum sein muss, früher wurde von zwei bis drei Jahren ausgegangen. Letztlich ist das aber im Einzelfall zu entscheiden.

Nebenbei bemerkt: Arbeitgeber begeben sich auf dünnes Eis, wenn sie voreilig und unüberlegt abmahnen. Denn stellt sich heraus, dass auch nur ein Teil der Abmahnung ungerechtfertigt ist, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass das Schreiben vollständig aus seiner Personalakte entfernt werden muss.

Muss eine Abmahnung nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses entfernt werden?

Daraus wird in aller Regel nichts. Arbeitnehmer haben nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwar die Möglichkeit, Einsicht in die Personalakte zu nehmen. Die Option, eine Abmahnung aus der Akte entfernen zu lassen, hat der ehemalige Angestellte aber nicht. Und zwar auch dann nicht, wenn die Abmahnung ungerechtfertigt war.

Aber – keine Regel ohne Ausnahme – ausnahmsweise kann ein Arbeitnehmer doch den Anspruch auf Entfernung erheben. Laut dem BAG-Urteil vom 19. April 2012 (AZR 233/11) liegt dieser vor, wenn es objektive Anhaltspunkte dafür gibt, dass der weitere Verbleib der Abmahnung dem Arbeitnehmer schaden könnte.

Wann das der Fall ist, steht auf einem anderen Blatt und ist im Zweifel wohl nur durch anwaltliche Hilfe herauszubekommen.